Lesen im muttersprachlichen Unterricht (Erstsprachenunterricht)

Lesenlernen ist ein langer Prozess – in jeder Sprache. Er beginnt damit, dass man lernt, einzelne Laute und Buchstaben oder Schriftzeichen zu entziffern, Wörter zu erkennen, Sätze zu verstehen, Texte inhaltlich zu erfassen und zum Wissenserwerb zu nützen. Mit dem Erstsprachenunterricht (muttersprachlichen Unterricht) wird eine ganzheitliche bilinguale und biliterale Bildung angestrebt. Dies bedeutet, dass die Schüler/innen auch in ihrer Familiensprache die Schriftsprache lesen und schreiben lernen, damit sie in der Lage sind, in ihrer Erstsprache schriftliche Informationen einzuholen und zu verarbeiten (Riss u.a. 2016). Lesekompetenzen in der Erstsprache nützen auch dem Lernen in anderen Unterrichtsgegenständen. So können Schüler/innen z.B. Inhalte, die sie im deutschsprachigen Fachunterricht nicht verstehen, im Internet oder einem Lexikon in ihrer Erstsprache recherchieren oder zweisprachige Kinder- und Jugendliteratur verwenden.
Lesefreude als Voraussetzung
Kinder werden schon früh durch unterschiedliche Medien mit Sprache und Schrift konfrontiert. Sie sammeln beim Vorlesen im Kindergarten und bestenfalls auch beim Erzählen von Geschichten in der Familie erste Lese- und Schrifterfahrungen und bauen ein erstes Weltwissen und Freude am Lesen auf. Diese Lesefreude braucht es für das Lesenlernen. Gerne und gut zu lesen sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Leseentwicklung (Riss u.a. 2016, S. 10).
Tipps zur Förderung der Lesefreude
- Als Lehrer/in ein Lesevorbild sein: die eigene Lesebegeisterung zeigen, Vorlesen, dialogisches Lesen, sich über Buchinhalte austauschen.
- Sich für die Leseinteressen der Schüler/innen interessieren und unterschiedliche Textsorten einbeziehen (Gebrauchstexte, Sachbücher, Zeitschriften, Comics, Foto- und Bilderbücher etc.).
- Den Schüler/innen eine Auswahl ermöglichen – nicht alle müssen dasselbe lesen. Den individuellen Interessen der Schüler/innen entgegenkommen.
- Unterschiedliche analoge und digitale Medien einsetzen: Neben den oben bereits genannten Textsorten auch Lieder, Gedichte, Filme, Lesesoftware, Hörbücher, Computerspiele einsetzen.
- Außerschulisches und schulisches Lesen vernetzen: Schüler/innen ihre Lektüre in die Schule mitbringen lassen, Eltern Tipps geben, was sie mit ihren Kindern lesen können.
Praxisvorschläge zur Förderung der Lesemotivation
- Vorlesen als Ritual: Es könnte z.B. jede Unterrichtseinheit mit einer Vorlesesequenz beginnen, in der die Lehrperson aus einem Buch vorliest und Schüler/innen erfahren, wie spanndend eine Geschichte sein kann (Riss u.a. 2016).
- Eine kleine Bibliothek in der Erstsprache eröffnen: Die Schüler/innen lernen ein breites und anregendes Textangebot in ihrer Erstsprache kennen. Sie tauschen sich über Gelesenes aus und können aus verschiedenen Büchern auswählen. Viele Schulen mit mehrsprachigen Klassen bieten in ihrer Schulbibliothek auch Kinder- und Jugendbücher in anderen Sprachen an.
- Im Austausch mit den Kolleg/innen des Deutsch- und DaZ-Unterrichts kann fächerverbindend gearbeitet werden, z.B. wenn gemeinsam an einem Kinderbuch gearbeitet wird, das zweisprachig zur Vergfügung steht.
- Lesepat/innen (z.B. aus der Familie einer Schülerin/eines Schülers) kommen in den Unterricht und lesen den Schülern und Schülerinnen vor.
Leseförderung
«Lesen ist eine Technik, die geübt werden muss. Wer diese Technik in einer Sprache beherrscht, wird sie auch für jede weitere Sprache nutzen können. Und: Wenn ein Kind gerne liest, liest es gern in allen Sprachen. (…) Es ist wichtig, globales, gezieltes und deutendes Lesen mit allen Sprachen zu verknüpfen, in allen Sprachen zu erproben. Den Lehrpersonen und Schüler/innen muss klar sein, dass sie die meisten Lesestrategien und -techniken in allen Sprachen anwenden können» (Riss u.a. 2016). Daher sollten sich Lehrer/innen des Erstsprachenunterrichts mit Kolleg/innen des Regelunterrichts und der Deutschförderung vernetzen können.
Weitere Inhalte zur Leseförderung sind in Vorbereitung.
Mehr zum Thema Lesen im Kontext von Mehrsprachigkeit finden Sie auf der neuen literacy.at-Plattform hier.